Balleimer

Bericht von Stefan Zimmermann

Ein Überblick über die intensive Trainingsform
Das Balleimertraining   ing ist ideal geeignet um intensiv, individuell und effektiv zu trainieren. In allen Alters- und Leistungsklassen findet es Anwendung. In den asiatischen Trainingshallen ist es an der Tagesordnung, diese Trainingsform einzusetzen.

Folgende Faktoren müssen gegeben sein, um ein sinnvolles Balleimertraining durchzuführen:
Gruppengröße:
Im idealen Fall hat der Trainer 1-2 Spieler, mit denen er das Balleimertraining durchführt. Dies muss dann zusätzlich zum Gruppentraining durchgeführt werden – möglicherweise auch mit einzelnen Spielern vor dem eigentlichen Gruppentraining.
Das Balleimertraining kann auch im Rahmen des Gruppentrainings durchgeführt werden. Dies ist aber abhängig von der Größe und der Disziplin der Trainingsgruppe. Ist die Gruppe zu groß oder zu unkonzentriert, besteht die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit des Trainers zu sehr auf das Balleimertraining fokussiert ist und darunter die Trainingsqualität innerhalb der Gruppe leidet.

Tischaufbau:
Es empfiehlt sich, einen Tisch für das Balleimertraining auszuwählen, der „außen“ steht. Dieser Tisch sollte durch Umrandungen abgetrennt werden. Die gespielten Bälle der Trainierenden sollten gegen eine Wand prallen, nicht in die Halle rollen, wenn sie von der Umrandung nicht aufgehalten werden. Sonst ist der Unmut bei den anderen Trainingsteilnehmern schnell sehr groß. Der Balleimertrainer sollte seine Einspielposition (schwarzer Punkt) so wählen, dass er die restliche Gruppe im Blick hat – und dadurch auch das Gefühl vermittelt, er verfolgt punktuell auch das Training der restlichen Gruppe. Korrekturen / Hinweise für die Trainingsgruppe können in den Einspielpausen punktuell gegeben werden.

Ausstattung:
Für ein sinnvolles Balleimertraining werden mindestens ein Gros Trainingsbälle benötigt (144 Stk.), ein Gefäß für die Bälle, eine Abstellmöglichkeit für dieses Behältnis (Turnkasten/Schiedsrichtertisch) sowie im günstigsten Fall ein Balleimerschläger. Für den Balleimerschläger empfiehlt es sich, einen kontrollierten griffigen Belag zu verwenden. Sehr häufig wird ein Schläger verwendet, der nur mit einem Belag beklebt ist, da bei speziellen Einspieltechniken die Gefahr besteht, den „tischnahen“ Belag, zu beschädigen.

Einspieltechnik:
Schlägerhaltung:
Es gibt verschiedene Schlägerhaltungen beim Balleimereinspielen. Wichtig ist, dass alle im Tischtennis vorkommenden Situationen imitiert werden können. Viele Trainer greifen den Schläger herkömmlich, manche rutschen mit der Hand in Richtung Schlägerblatt und greifen den Schläger ähnlich wie einen Teller um mehr Stabilität zu haben. Der Penholdergriff wird mittlerweile sehr selten eingesetzt.

Einspieltechnik:
Indirektes Einspielen:
Zumeist wird das indirekte Einspielen bevorzugt. Dabei wird der Ball eingespielt, nachdem der Ball auf der eigenen Tischhälfte aufgesprungen ist. Er wird nach dem Tischkontakt mit dem Schläger direkt über das Netz gespielt (also nicht als eigenen Aufschlag gespielt).

 


Entscheidend sind hierbei zwei Faktoren, die häufig nicht ausreichend berücksichtigt werden: Der Ball sollte ein wenig nach hinten auf den Tisch geworfen werden. Beim Tischtennis wird auch ein „ankommender Ball“ verarbeitet – deswegen sollte dies hier auch entsprechend simuliert werden. Außerdem ist es wesentlich einfacher, dadurch Rotation zu entwickeln. Weiterhin sollte der Ball schnell nach dem Aufprallen auf dem Tisch getroffen werden, weil dadurch gewährleistet ist, dass der Ball realistisch von unten mit einer bogenförmigen Flugbahn gespielt wird. Häufig wird der Ball vom höchsten Punkt nach vorne unten auf die gegnerische Tischhälfte gespielt. Dies kann in einzelnen Fällen gewollt sein – sollte aber nicht die Basis-Einspieltechnik sein.
Direktes Einspielen:
Hierbei wird der Ball direkt gegen den Schläger geworfen und dann direkt über das Netz auf die gegnerische Tischhälfte gespielt. Dadurch fällte es einfacher, mit viel Tempo oder Rotation und auch mit einer erhöhten Frequenz einzuspielen. Die Gefahr hierbei ist allerdings, dass das Einspielen mit einer unrealistischen Flugbahn ausgeführt wird. Dies gilt es immer im Auge zu behalten.

 


Ein Tipp hierzu: Je aktiver der Ball gegen den Schläger geworfen wird, umso mehr Rotation kann dem eingespielten Ball verliehen werden.

Generell variiert man überwiegend bei folgende Faktoren:
Seitliche Platzierung | (weite Vorhand, Vorhand, Mitte, Rückhand, weite Rückhand)
Platzierung in der Länge | (kurz, halblang, lang)
Geschwindigkeit | (wie schnell fliegt der Ball)
Frequenz | (wie viele Bälle werden pro Zeiteinheit eingespielt)
Rotation
Ggfs. Flugbahn

Einspielposition:
Als Rechtshänder wird überwiegend die Position links neben dem Tisch verwendet. Dadurch kann der Schlagarm bequem über den Tisch geführt werden.
Der Abstand zum Netz sollte unterschiedlich gewählt werden. Für das Einspielen von kurzen Bällen empfiehlt es sich, die Position netznäher zu wählen, da es dadurch einfacher wird, präzise kurz einzuspielen. Für die Simulation von langen Bällen ist es günstiger die Position in Richtung Grundlinie zu verschieben, da dadurch die Flugbahn des eingespielten Balles realistischer wird. So kann es vorkommen, dass bei einer Simulation eines Spielzugs, die Einspielposition innerhalb „des Ballwechsels“ ein wenig verändert wird.
Um den Spieler nicht zu sehr an Automatismen zu gewöhnen, ist es durchaus sinnvoll, die Einspielposition komplett zu verändern. So kann ein Rechtshänder durchaus auch mal aus der Vorhandseite hinter dem Tisch einspielen. Hierdurch ergeben sich neue Situationen für den Trainierenden und auch neue Möglichkeiten für den Trainer (Beinarbeit in weite Vorhand bei Rechtshänder).
Bei der Simulation eines Topspins ist es auch möglich, dass der Einspieler seine Position etwas hinter die Grundlinie des Tischs verlegt. Dann muss das Einspiel allerdings direkt aus der Hand erfolgen.

Trainingsschwerpunkte:
Das Balleimertraining kann sehr differenziert eingesetzt werden. Es findet in allen Alters- und Leistungsebenen statt.
Techniktraining:
Der Vorteil im Bereich des Techniktraining besteht darin, dass das Einspiel sehr angepasst auf den jeweiligen Technikstand des Spielers gestaltet werden kann. Weiterhin kann in dieser Konstellation sehr intensiv auf die Entwicklung der Technik mit dosierten Korrekturen eingegangen werden. Fehlerhafte Technikentwicklungen können direkt analysiert werden und entsprechend bearbeitet werden.
Beim Technikerwerbstraining wird die Frequenz entsprechend reduziert, um dem Spieler Zeit zu geben, den Schlag vor- und nachzubereiten. Das Einspiel sollte zu Beginn bezogen auf die Faktoren Tempo, Rotation und Platzierung gleichmäßig sein, damit der Spieler sich möglichst „stressfrei“ mit der zu erlernenden Bewegung auseinandersetzt. Nach dieser Phase sollte allerdings auch recht schnell dazu übergegangen werden, das Einspiel ein wenig zu differenzieren, um den Spieler dadurch zu zwingen, seine Bewegungen (Technik) an die jeweilige Situation anzupassen.
Beim Technikanwendungstraining kann die Einspielfrequenz den realistischen Bedingungen eines Ballwechsels angeglichen werden, um unter „Wettkampfbedingungen“ an der Technik zu arbeiten.


In Kürze:
Technikerwerb:
Einspielfrequenz: langsamer als im Ballwechsel
Anzahl der Bälle: ca. 10-15 Bälle, dann eine kurze Pause
Wenn nach einer gewissen Zeit kein Lernfortschritt erkennbar ist, die Technik wechseln um eine kognitive Blockierung zu lösen.


Technikanwendung:
Einspielfrequenz: wie im Ballwechsel
Anzahl der Bälle: ca. 20-40 Bälle, dann eine kurze Pause


Schnelligkeit / Beinarbeit:
Auch in diesem Bereich bietet das Balleimertraining hervorragende Möglichkeiten, die Entwicklung des Spielers voranzutreiben. Dadurch, dass die Einspielfrequenz höher als im Ballwechsel gewählt werden kann, ist es möglich, Zeitdruck für den Spieler aufzubauen: Durch diese Rahmenbedingungen muss der Trainierende seine Bewegungsgeschwindigkeit (Beinarbeit) maximieren, um diese Zeitdrucksituation „zu lösen“. Hierfür ist es Voraussetzung, dass der Trainer ein hochfrequentes Einspielen beherrscht.


In Kürze:
Schnelligkeit:
Einspielfrequenz: schneller als im Ballwechsel
Anzahl der Bälle: ca. 10-20 Bälle, dann eine lohnende Pause


Vor allem die Entwicklung von Schnelligkeit sollte zu Beginn des Trainings im „frischen“ Zustand des Spielers erfolgen.

Simulation Ballwechsel
Im Wettkampf kommen immer wieder aufeinanderfolgende Sequenzen von verschiedenen Techniken vor. Meistens gewinnt der, der weniger Fehler in solchen Situationen macht. Deswegen ist es sinnvoll, diese Sequenzen am Balleimer zu simulieren. Zum Beispiel wird zu Beginn eines Ballwechsels oft ein Topspin auf Unterschnitt eingesetzt, der Gegner blockt diesen Ball und das Nachspiel erfolgt gegen diesen Blockball. Dies kann am Balleimer sehr effektiv trainiert werden (mit verschiedenen Platzierungen, sowohl in regelmäßigen als auch in unregelmäßigen Situationen).
Gerade in diesem Bereich ist es auch sinnvoll, wenn der Trainer (entsprechende technische Fähigkeiten vorausgesetzt) Teile des simulierten Ballwechsels aktiv mitspielt. Beispiel: Der Trainer spielt einen Ball kurz ein, der Spieler legt kurz zurück zum Trainer, dieser schupft diesen Ball dann lang in Rückhand, der Spieler eröffnet mit Rückhandtopspin, darauf spielt der Trainer im wettkampfnahem Rhythmus einen neuen Ball in Vorhand, den der Spieler mit Vorhandspin nachspielt.


In Kürze:
Schnelligkeit:
Einspielfrequenz: wie im Ballwechsel
Anzahl der Bälle: ca. 20-40 Bälle, dann eine lohnende Pause


Wichtig hierbei ist die Strukturierung! Nach dem ein Ballwechsel simuliert worden ist (zumeist sind dies 2-4 Kontakte) muss der Einspieler durch eine kurze Pause (1-2 Sek.) zeigen, dass dieser Ballwechsel beendet ist und dann beginnt beim Spieler die Konzentration auf den nächsten Ballwechsel.

Organisationsformen:
Balleimertraining ist eine sehr intensive Form des Trainings. Lohnende Pausen (d.h. der Körper ist zu einem Großteil regeneriert) müssen immer wieder eingefügt werden. Aus diesen Bedingungen abgeleitet ist es sinnvoll, einen zweiten / dritten Spieler in das Balleimertraining zu integrieren, der dann in den „Pausen des ersten Spielers“ trainiert – und umgekehrt.
Beispiel für eine Organisationsform mit 3 Spielern: Spieler A spielt 3 Serien á 25 Bälle, danach pausiert er – in dem Zeit spielt Spieler B diese Bälle. Spieler C sammelt in dieser Zeit die Bälle der beiden. Nach 3 Minuten werden die Stationen gewechselt.

Häufig besteht das Problem, dass eine zu große Gruppenstärke es verhindert, dass der Trainer mit nur wenigen Spielern Balleimertraining durchführen kann. Um dennoch Balleimertraining durchzuführen, kann es organisiert werden, dass die Spieler untereinander in 2er- / 3er-Gruppen Balleimertraining machen. Dies funktioniert in der Praxis häufig besser als erwartet. Der Trainer stellt erst die Balleimerübung vor, demonstriert die Einspieltechnik und beaufsichtigt anschließend die gesamte Gruppe. Dabei ist es oft hilfreich, wenn einfache Übungen ausgewählt werden oder auch der Einspielende Teile des Ballwechsels aktiv mitspielt (s.o.).
Übrigens: Diese Form des Balleimertrainings untereinander wird in China seit Jahrzehnten überaus erfolgreich in fast allen Nachwuchstrainingsgruppen eingesetzt.

Übungen für den Trainer:
Auch der Trainer muss an sich arbeiten, um seine Einspielfähigkeiten zu verbessern. Dafür kann er folgende Übungen für sich durchspielen:
Übung für das flüssige Nachgreifen:
Bei manchen Übungen ist es wichtig, Bälle nachzugreifen, ohne dabei den Spielfluss zu unterbrechen. Dies wird geschult mit folgender Übung:
Der Einspieler darf immer nur einen Ball in die Hand nehmen und muss möglichst hochfrequent einspielen. Der Übende spielt die Bälle zurück und zeigt mit seiner „Nicht-Schlaghand“ eine Zahl von 1-5. Der Trainer muss diese Zahl sagen. Dadurch wird der Trainer gezwungen, trotz des ständigen Nachgreifens, den Spieler zu beobachten (um ihn dann theoretisch korrigieren zu können)

Übung für Platzierung:
Bestimmte Bereich des Tisches werden abgedeckt (Bsp. „saubere Vorhand und saubere Rückhand“). Es darf nur in Mitte und in weite Vorhand + weite Rückhand gespielt werden. Dadurch wird der Trainer gezwungen, präzise zu platzieren und für den Spieler ist dies eine sinnvolle Übung, da er trainiert aus den unangenehmen Zonen des Tisches zu spielen

Zu guter Letzt ein paar Prinzipien:
Wichtig ist, dass das Einspielen am Balleimer auf den Trainingsschwerpunkt und auf das Leistungsniveau des Spielers ausgerichtet ist.
Der einspielte Ball muss hinsichtlich Flugbahn, Antizipationsmöglichkeit, Rhythmus usw. möglichst vergleichbar mit der Qualität des Balls in einem Wettkampf sein. Hier dürfen keine großen Differenzen auftreten, weil dann der Transfer des Erlernten in den „normalen“ Ballwechsel am Tisch nicht möglich ist.
Alles was eingespielt wird, muss „logisch“ sein. Es macht keinen Sinn, wenn in einer Spielzugsimulation der Spieler zunächst flippen muss und anschließend einen Ball auf Unterschnitt eröffnen soll.
Je besser die Einspieltechnik des Trainers (und die dazugehörigen Korrekturen), umso höher ist auch der Lerneffekt beim Spieler. Ist beispielsweise der eingespielte Ball durch ein instabiles Handgelenk für den Spieler nicht antizipierbar, so wird der Lerneffekt geringer sein. Spielt der Trainer ständig mit Seitunterschnitt statt nur mit Unterschnitt ein, so wird der Spieler auch im normale Ballwechsel den Eröffnungsball auf Unterschnitt nicht so gut beherrschen, da er sich am Balleimer ein anderes Bewegungsmuster angeeignet hat.

 


Der Autor:
Stefan Zimmermann
A-Lizenz-Trainer und
Sportwissenschaftler

ehemaliger Verbandstrainer im Tischtennisverband Rheinland
Balleimertrainer im Bundesligabereich des TTC Zugbrücke Grenzau