Programmierter Erfolg Folge 2

Bericht von Christian Hetzel

Gegen unorthodoxe Spielsysteme hilft es in Stresssituationen oft weiter, auf einstudierte Spielzüge zurückgreifen zu können – das entlastet!!!
Im zweiten Teil möchte ich mich mit dem Spiel gegen lange Noppen am Tisch auseinander setzen. Es kommt nicht selten vor, dass bei Spielen der Satz fällt: „ Außer Noppen kann der nix“ oder „ wenn er keine Noppe hätte, hätte er keine Chance“. Einige Spieler spielen nicht gern gegen „Material“ bzw. haben sich mit der Thematik noch nicht auseinander gesetzt. In diesem Fall möchte ich hier ein wenig die Angst nehmen bzw. eine Möglichkeit aufzeigen, wie man das Spielen gegen die lange Noppe trainieren kann.
Wie „wirken“ lange Noppen
Zunächst möchte ich auf die Eigenschaften der Noppe bzw. deren „Wirkung“ eingehen.
Ein Belag mit langer Noppe kann keine eigene Rotation erzeugen und ist somit auf die Rotation der Schläge seines Kontrahenten angewiesen. Das bedeutet: wenn wir einen Topspin auf den Noppenbelag spielen und der Gegner den Ball mit der Noppe „absticht“, hat der zurück gespielte Ball in diesen Fall Unterschnitt (Rückwärtsrotation). Das Gegenteil geschieht, wenn wir einen Schupfball oder einen Aufschlag mit Unterschnitt spielen. So wird diese Rotation „umgekehrt“ und der Ball erhält eine Vorwärtsrotation. Hierbei tritt dieser Effekt allerdings nur in verminderter Stärke auf.

»Merke: Die Noppe wandelt immer die Menge der eingesetzten Rotation (vor allem beim Topspin) in die entgegengesetzte Rotation um!«

Das heißt, je mehr Effet ich dem Topspin verleihe, desto mehr Unterschnitt erhalte ich zurück. Topspins, die mit wenig Rotation oder Tempo gespielt werden sind für die Noppe schwieriger zu kontrollieren.


Somit sind die Noppenspieler auf Bälle mit Rotation angewiesen, um diese verarbeiten zu können bzw. umzukehren und dadurch das Spiel des Gegners zu stören.
Die Möglichkeiten mit Noppen sind begrenzt
Das Spiel der langen Noppe ist begrenzt und die Möglichkeiten nicht so umfangreich wie zum Beispiel für einen Angriffsspieler mit einem glatten Belag.  Aus diesem Grund findet man Spieler mit langen Noppen überwiegend in den unteren Spielklassen.
Die Spieler versuchen in der Regel mehr als die Hälfte des Tisches mit dem Noppenbelag abzudecken, um so die schwächere Vorhandseite zu vermeiden. Diese Spieler verfügen in den meisten Fällen über eine schwache Vorhandseite und versuchen Ihr Spielniveau mit Hilfe der Noppe zu steigern. Dies funktioniert in der Regel bis zu einem gewissen Niveau und ab diesem reicht der Noppenbelag alleine nicht mehr aus. Auf höherem Niveau verfügen die Spieler dann über eine gute Vorhandseite und versuchen diese auch möglichst oft einzusetzen – auch durch das Umlaufen der Rückhandseite. Diese Spieler möchte ich aber nicht als „reine“ Lang-
noppenspieler bezeichnen, die über den Noppenbelag versuchen wollen zum Punktgewinn zu gelangen.
Die Taktik der Langnoppenspieler
In diesem Teil möchte ich mich besonders mit den Langnoppenspielern befassen, die den größten Teil ihres Spiels damit aufbauen, das Spiel ihres Gegners mit den langen Noppen zu stören. Diese Spieler versuchen häufig den Rückschlag bereits ausschließlich mit der Noppe zu spielen, auch wenn der Aufschlag kurz in ihre eigene Vorhandseite erfolgt. Auf diese Art und Weise ist der Rückschlag für sie einfacher zu spielen/kontrollieren und die eigene Fehlerquote wird versucht, zu minimieren. Anschließend wird versucht, den ganzen Tisch mit der Noppe abzudecken. Dabei bieten sich dem Kontrahenten Möglichkeiten, den Noppenspieler vor Aufgaben bzw. Probleme zu stellen, die ihn zu Fehlern zwingen.
Pläne der Langnoppenspieler durchkreuzen
Um dem Langnoppenspieler als Rückschläger die Möglichkeit zu nehmen den Rückschlag bereits seitlich am Tisch heraus zu drücken, ist es sinnvoll, die Aufschläge in der Regel lang auf die Noppe zu servieren.
Anschließend gibt es mehrere Optionen zum Punktgewinn zu gelangen: Eine ist es, einen festen Topspin auf Punkt in Tischmitte/Vorhandseite zu spielen. Diese Optionen bieten sich für Spieler an, die das Spiel gegen lange Noppen am Tisch bereits geübt haben, da sonst die Fehlerquote bei dem festen Topspin nicht gering gehalten werden kann.
Eine weitere Option als ersten Ball auf die Noppe ist ein „weicher / gehobener“ Topspin mit wenig Rotation auf die RH-Seite. Wird dieser Ball in die VH „abgestochen“ ist es anschließend (je nach  spielerischen Fähigkeiten) gut, den Ball mit viel Rotaion in weite VH zu spielen oder aber als Schupfball. Gleiches bietet sich an, wenn der Ball in die RH abgestochen wird.
Alternativ ist es möglich, den abgestochenen Ball in Tischmitte zu schupfen, damit der Noppenspieler hier beide Ecken seines Tisches „öffnet“ und somit die Chance bietet, anschließend mit einem festen Topspin in eine der beiden Ecken direkt zu punkten.
Dies sind generelle Hinweise und Ratschläge, die das Spiel gegen eine lange Noppe am Tisch betrifft. Weitere Variationsmöglichkeiten bieten sich darin, ab und zu einen langen Unterschnittaufschlag in die VH zu spielen bzw. einen Topspin mit viel Rotation auf die Noppe bzw. die VH um den Noppenspieler vor weitere Aufgaben zu stellen und ihm das Gefühl zu geben, dass das eigene Spiel nicht so einfach auszurechnen ist.

…zur Praxis:
Im Anschluss möchte ich einige Übungen aufzeigen, deren Spielzüge man so in das eigene Spiel übernehmen kann. Grundvoraussetzung für diese Übungen ist, dass sich im eigenen Verein ein solcher Spielertyp befindet oder man die Möglichkeit hat in einem benachbarten oder befreundeten Verein mit einem Langnoppenspieler zu trainieren. Sollte diese Möglichkeit nicht bestehen, sollte versucht werden, dies im nächsten Spiel einfach mal auszuprobieren.
Generell sollte man bei den Übungen im Topspinbereich versuchen zwischen Bällen mit viel Rotation und wenig Rotation bzw. einem festen Topspin zu variieren.
1. Übung | Kontrolle und Gefühl für das Spiel gegen Noppen
Spieler: Langer Unterschnitt Aufschlag in die RH vom Langnoppenspieler
Noppenspieler: Pressball oder aggressiver Schupfball (je nach Spielvermögen) in die RH
Spieler: RH-Konter / Topspin in die RH
Noppenspieler: RH-abstechen
Spieler: RH-Schupfball in RH
Noppenspieler: RH-Pressball / Schupfball in VH
Spieler: VH-Topspin auf RH
Noppenspieler: RH-Abstechen in RH.
–>Anschließend Übung wieder von vorn.
Übungsvariation 1. Pressball bereits in VH2. Übung | Platzierung in weite Vorhand des Langnoppenspielers
Hier soll versucht werden, den Noppen Spieler in Bewegung zu bringen. Er soll gezwungen werden, in der weiten Vorhand mit der schwächeren VH-Seite zu spielen.
Spieler: Langer Unterschnitt Aufschlag in Tischmitte
Noppenspieler: Pressball/aggressiver Schupfball in VH
Nun ergeben sich zwei Möglichkeiten für den Spieler:
1. Möglichkeit: VH-Topspin in weite Vorhand, anschließend frei;
2. Möglichkeit: Topspin in RH, RH-Abstechen in VH, entweder VH-Schupf in weite Vorhand oder VH-Topspin Eröffnung in weite Vorhand.
–> Als Variation kann der Ball RH-Abstechen über den ganzen Tisch gespielt werden.
3. Übung | schneller Punktgewinn
Spieler: Kurzer oder langer Unterschnitt-Aufschlag in Tischmitte oder VH,
1. Möglichkeit:
Noppenspieler: RH Presse/aggressiver Schupfball in Mitte/VH,
Spieler: Fester Topspin auf Punktgewinn in Rh/VH,
2. Möglichkeit:
Noppenspieler: RH-Presse/aggressiver Schupfball ganzer Tisch,
Spieler: VH-Topspin/RH-Konter/Rh-Konter auf Punkt in VH oder RH.

Generell ist es sehr wichtig, Erfahrungen gegen dieses Spielsystem zu sammeln – besser im Training ohne Druck als zum ersten Mal im Wettkampf…

 
Der Autor:
Christian Hetzel
B-Lizenz-Trainer
ehemaliger Honorartrainer Rheinland
Betreuer auf regionalen / nationalen Meisterschaften
führte seine Jugend-Mannschaft zum Deutschen Vize-Mannschaftsmeister


Infobox: Automatisierung versus Flexibilität:

Ist es ein Vorteil, wenn man „automatisiert“ Tischtennis spielt? Oder sollte man lieber flexibel auf jede Spielsituation reagieren?
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich, wie so oft, in der Mitte.

Generell hilft es weiter, wenn man in Stresssituationen auf gewohnte Muster zurückgreifen kann. Oft ist es genau in diesen Situationen nicht so einfach, klare und gut durchstrukturierte Entscheidungen zu fällen – dadurch kann es helfen, wenn man sich auf Spielzüge und damit auf gewohnte Ablaufe verlassen kann, die durch sehr hohe Wiederholungszahlen so fest im Gehirn verankert sind, dass sie auch unter Stresseinfluss weniger fehleranfällig sind.
Trotzdem muss man auch in solchen Momenten in der Lage sein, geistig flexibel zu sein. Schließlich muss erst geprüft werden, ob der geplante Automatismus auch realisiert werden kann oder ob der Gegner eine unerwartete Handlung gestartet hat, die nicht zum eigenen Plan passt.
Durch Erfahrung lernen!
Im Laufe seines „Tischtennislebens“ durchlebt ein Spieler immer wieder, wie der Gegner auf bestimmte Situationen (Beispiel Aufschlag) reagiert. Bei aufmerksamer Analyse können mögliche gegnerische Antworten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eingestuft werden. Diese „Erfahrungsantizipation“ kann durchaus helfen, einen automatisierten Spielzug erfolgreich umzusetzen.
Also: Mitdenken im Training und Wettkampf hilft!!!
Stefan Zimmermann, Sportwissenschaftler