Vierertisch

Ein Beitrag von Andreas Greb

Mehr als nur ein „Funsport“ nach der Saison?
Mitte Mai in Nankatsu! „Herr Hongo wir haben doch vergangene Woche das letzte Spiel gehabt, da könnten wir doch eigentlich heute mal wieder Vierertisch spielen.“ „Tsubasa du weißt, dass du dir bei diesem Spiel die Technik versaust.“ „ Ja, das macht aber so viel Spaß und alle würden es gerne spielen.“ „Ok, wir machen heute eine Ausnahme, baut den Tisch auf! Aber nur eine Stunde!“

Vierertisch – nicht nur ein Funspiel
Vierertisch, eine alternative Spielform des Tischtennissports, bietet bei genauerem Hinsehen viele Möglichkeiten sein Niveau im traditionellen Tischtennissport zu verbessern. Für viele ist es ein reines „Funspiel“, doch wenn man es genau unter die Lupe nimmt, erkennt man mehr und mehr, dass es nützlich sein kann, um nicht nur die tischtennisspezifischen Fähigkeiten, sondern darüber hinaus auch die allgemeine körperliche Konstitution zu verbessern.
Hierzu ist es zunächst erforderlich einen Blick auf das Anforderungsprofil eines Tischtennisspielers zu werfen.
» Konditionelle Basis
» Koordinative Fähigkeiten
» Ball/Rotationsgefühl
» Feinmotorik
» Körperliche Konstitution
» Spaß
» Kreativität
Vergleicht man nun das Anforderungsprofil beider Sportarten miteinander, so stellt man fest, dass viele Bereiche deckungsgleich sind.

»Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung.«

Beide Spiele definieren sich insbesondere darüber, dass das „Spielen“ eine übergeordnete Rolle einnimmt. Alle wollen beim Tischtennis Top gegen Top spielen, weil es schlicht Spaß macht. Viele sehen dort das Problem der Sportart Tischtennis, weil die Ballwechsel oft kurz sind und der Spielspaß auf der Strecke bleibt.
Länge, Intensität & Kreativität der Ballwechsel nehmen beim Vierertisch zu
Vierertisch bietet hier eine sehr interessante Alternative. Schaut man nochmals auf das Anforderungsprofil eines TT-Spielers, so stellt man fest, dass einige Bereiche im Vierertisch stärkere Beachtung finden, andere hingegen weniger im Fokus stehen.
Durch die 4-fach große Spielfläche steigt der Spielspaß durch die Tatsache, dass die Ballwechsel länger und intensiver werden. Die Kreativität nimmt auch im Tischtennis eine wichtige Rolle ein, jedoch kann sie im Vierertisch besser verwertet und durch die Größe des Tisches vermehrt ausgelebt werden.
Beinarbeit – spielerisch verbessern
Die Beinarbeit im Tischtennis lässt sich von der Komplexität her mit kaum einer anderen Rückschlagsportart vergleichen. Viele feinmotorische Bewegungsabläufe sind unter hohem zeitlichem Druck zu bewältigen. Diese Komplexität wird oft zu einem Stolperstein, gerade im Anfängerbereich. Hier ist es wichtig methodisch vorzugehen (siehe Trainingsformen). Einfache Beinarbeitsformen wie Sidesteps und einfache Laufschritte bilden die Basis der Beinarbeit im Vierertischsport. Da der Ballweg beim Vierertisch viel größer ist, wird die Reaktionszeit des Sportlers verlängert. Somit fällt die Bewältigung komplexer Beinarbeitstechniken mit abnehmendem Zeitdruck immer leichter. Mit dieser Vorgehensweise können die Techniken zunächst am großen Tisch erlernt und anschließend auf den „kleinen“ Tischtennistisch übertragen werden, wo dann die Techniken verfeinert werden können.

»In der Sportart Vierertisch fällt es zudem leichter, jungen Spielern eine Basis an Ball- und Rotationsgefühl zu vermitteln.«

Durch die lange Flugbahn bekommt der Spieler eine gute Rückmeldung was mit „seinem“ gespielten Ball geschieht.
Die grundsätzlichen Anforderungen eines TT-Spielers entsprechen weitestgehend denen eines Vierertischspielers. Koordinativ ist das TT-Spiel anspruchsvoller. So muss der TT-Spieler aufgrund der kleineren Spielfläche besser reagieren, seine Bewegungen schneller umstellen und unter höherem Zeitdruck verbinden können. Im konditionellen Bereich sind die Anforderungen annähernd gleichwertig, wobei vor allem im Bereich der Grundlagenausdauer, Schnelligkeitsausdauer und der Schnellkraft im Vierertischsport ungleich größere Reize gesetzt werden als am „kleinen Tisch“. Hierzu mehr im nachfolgenden Bereich Trainingsformen.
Vierertisch als Trainingsform/Methoden
Trainingsmethoden abseits vom Tisch erfreuen sich gerade im Jugendtraining keiner allzu großen Beliebtheit. Hier liefert Vierertisch eine interessante Alternative. Durch das „Spiel“ am Vierertisch werden Fähig- und Fertigkeiten im konditionellen und koordinativen Bereich unbewusst für den Spieler geschult. Zudem können auch Beinarbeits- und Schlagtechniken mithilfe des Vierertisches erlernt, gefestigt und verbessert werden.

»Spielerisches Lernen kommt gerade im Anfängerbereich sehr gut bei Kindern an und impliziert von Beginn an Erfolge in vielerlei Hinsicht.«

„Mein Arsch tut weh! Meine Beine und Waden brennen!“, sind Aussagen, die man jedes Jahr nach einem Vierertischwettkampf zu hören bekommt. Die konditionelle Beanspruchung ist beim Vierertisch folglich als sehr hoch einzuschätzen. Die Beweglichkeit spielt eine untergeordnete Rolle, kommt jedoch auch hier zum Tragen. Im Rahmen der Schnelligkeit gewinnt die Aktionsschnelligkeit gegenüber der Reaktionsschnelligkeit mehr an Bedeutung, da der Ball länger unterwegs ist. Viele kurze Sprints, gepaart mit herkömmlichen Sidesteps und Kreuzschritten bilden die Basis des Bewegungsprofils eines Vierertischspielers. Viele Mischformen wie Schnelligkeitsausdauer, Schnellkraft, Kraftausdauer spielen im Vierertisch eine überaus große Rolle.
Obwohl Vierertisch sich durch azyklische Bewegungen auszeichnet, kann man mit diesem „Spiel“ seine allgemeine sowie sportartspezifische Grundlagenausdauer zwischen den Spielzeiten halten oder gar verbessern.
Vierertisch als Koordinationstraining
Gerade im Anfängerbereich und im Kindesalter sollte in jeder Trainingseinheit die Koordination trainiert und gefördert werden. Im Bereich der Reaktionsfähigkeit eignet sich das Aufstellen eines Vierertisches gut, da durch die verlängerte Reaktionszeit das Ausführen der Schlagtechnik vereinfacht wird. Dies sollte aber nur im Anfängerbereich zur Geltung kommen, um die Spieler mit ersten Reaktionsübungen vertraut zu machen. Da die Reaktionszeit beim Tischtennis logischerweise deutlich geringer ist, sollten im Fortgeschrittenenbereich andere Methoden angewendet werden. Ein weiterer Vorteil der verlängerten Reaktionszeit ist die Möglichkeit bestimmte Bewegungen besser verbinden zu können, da der Trainierende die Bewegungen bewusster ausführen kann.
So wird die für den Tischtennissport vielleicht wichtigste koordinative Fähigkeit, die Kopplungsfähigkeit, gezielt trainiert. Wenn man beispielsweise den Vorhand-Topspin genauer betrachtet, erkennt man, dass die Bewegungen der einzelnen Körperteile zu einer Gesamtkörperbewegung miteinander verbunden (gekoppelt) werden.

»Man spricht in diesem Zusammenhang von der kinematischen Kette.«

Diese beschreibt, dass der Impuls von einem Körperteil auf das folgende übertragen wird, um somit einen möglichst großen Gesamtimpuls auf den Ball zu übertragen. Am konkreten Beispiel des Vorhandtopspins folgt der Gewichtsverlagerung vom einen auf das andere Bein eine Rumpfdrehung, anschließend die Beschleunigung von Schulter, Oberarm, Unterarm und Handgelenk um den Schläger optimal zu beschleunigen. Dies unter der Prämisse Zeitdruck, stellt im Anfängerbereich häufig ein Problem dar.
Der „Anfänger“ wird schnell hektisch und fällt in alte Bewegungsmuster zurück. Durch das Spiel am Vierertisch hat der Spieler mehr Zeit und kann sich ganz auf die verlangte Bewegung konzentrieren.
Tischvariationen als Koordinationstraining
Wenn die Saison vorüber ist, stelle ich gerne einen Parcours zusammen, wo unterschiedlichste Tischvariationen aufgestellt werden. Hierzu gehören: Minitisch, normaler Tisch, Grabentisch, runder Tisch und eben auch ein Vierertisch.
Da die Position zum Tisch beim TT ständig variiert, ändert sich auch bei jedem Schlag der Krafteinsatz des Spielers. Die sogenannte Differenzierungsfähigkeit ist von enormer Bedeutung und sollte deshalb im Trainingsalltag gezielt geschult werden. Der Vierertisch bietet hier eine gute Abwechslung zum normalen Tischtennis, da der Krafteinsatz hier deutlich größer ist und die Kinder über den erfolgreichen beziehungsweise erfolglosen Schlag direkt die Rückmeldung bekommen, ob sie den richtigen Krafteinsatz gewählt haben.
Durch diese heuristische Methode von Versuch-und-Irrtum kann der Übende eine eigenständige Fehleranalyse anstellen und beim nächsten Versuch selbst korrigieren.
Methodische Prinzipien
Beim Erlernen von Fertigkeiten (z.B. Vorhand-Topspin) spricht man auch häufig von Überforderungsaspekten in Verbindung mit Vereinfachungsstrategien. Um auf das Beispiel Vorhandtopspin zurückzukommen bedeutet dies, dass die Reaktionszeit den Überforderungsaspekt darstellt und die Vereinfachungsstrategie der Vierertisch ist.
Man spricht hier von Parameterveränderungen. In diesem Zusammenhang sollten vor allem die Methodischen Übungsreihen genannt werden. Dort gibt es einfache Prinzipien, die im Trainingsalltag, insbesondere im Anfängerbereich, immer wieder berücksichtigt werden sollten:
1. Vom Leichten zum Schweren
2. Vom Einfachen zum Komplexen
3. Vom Weiträumigen zum Kleinen
Im Verlauf der motorischen Aneignungsvorgänge müssen die eingesetzten Vereinfachungs- und Hilfemaßnahmen nach diesen Prinzipien Schritt für Schritt zurückgenommen werden.
Dies würde für den Trainingsalltag bedeuten, dass man nach einigen Übungen auf dem großen Tisch, zum kleinen Tisch übergehen könnte. Vereinfachungsstrategien (Vierertisch) helfen dabei, bewusste Bewegungsmuster („ich muss beim Vorhandtopspin meinen Oberkörper mit einsetzen“) in unbewusste, automatisierte Bewegungen umzuwandeln.
Gerade auch im Bereich Beinarbeit und Schlagtechnik finden genau diese Vereinfachungsstrategien Anwendung. Wichtig ist hierbei die direkte Rückmeldung für den Spieler. Ein klassischer Fehler beim Vorhandtopspin ist ein zu langer Ausschwung. Jedoch gibt es auch Spieler wo überhaupt kein Ausschwung stattfindet und die Bewegung zu kurz verläuft. Man spricht in der Sportwissenschaft auch von sogenannten Überkorrekturen, wo die Spur (Ausschwungphase) komplett verlassen wird, um alte Muster aufzubrechen und neue Bewegungsmerkmale zu stabilisieren.

»Kurz gesagt: Eine alternative Tischform wie Vierertisch mit 4-fach großer Spielfläche zwingt den Spieler dazu, seine Bewegung anzupassen und zu verändern. Dadurch wird die Bewegung runder und länger.«

Erneut bedingt durch die längere Reaktionszeit ermöglicht das Spiel am Vierertisch dem Trainierenden seine Ausholbewegung zu optimieren. Durch den Zeitdruck gibt es viele Anfänger die gar keine oder eine mangelhafte Ausholbewegung haben. Im Umkehrschluss hat der Anfänger am Vierertisch die „Zeit“ seinen Schlag vorzubereiten und „auszuholen“. Beim Treffpunkt unterscheidet sich Vierertisch kaum vom Tischtennis. Auch hier sollte der Ball möglichst weit vorne getroffen werden.
Im Bereich der Beinarbeit eignet sich Vierertisch gut um einfache Bewegungsformen wie Laufschritte oder Sidesteps einzuführen. Doch auch komplizierte Beinarbeitstechniken wie der Kreuz- oder Ausfallschritt können bedingt durch die doppelte Tischbreite hervorragend in den Trainingsalltag integriert werden.
Vierertisch als Erweiterung
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Position der Sportart Vierertisch
Der junge Sport „Vierertisch“ sieht sich keinesfalls als Konkurrent des Tischtennissports. Gerade in den Sommermonaten wo die Saison ihren Winterschlaft hält, werden die großen Tische gerne aufgestellt und erfreuen sich einer immer größer werdenden Beliebtheit. Ich selbst gebe jeden Tag TT-Training in diversen Vereinen und lasse Vierertisch so gut wie nie in der Saison spielen, da ich weiß, dass sich beide Sportarten dauerhaft nicht zu 100 Prozent vertragen. Doch gerade nach einer Saison ist man erstens dankbar für jede Abwechslung und zweitens auch bereit Dinge zu verändern. Und gerade hier kann Vierertisch im Trainingsalltag an- und einsetzen, da diese alternative Tischform wie beschrieben für einige Bereiche sehr nützlich sein kann. Und bevor man von April – September unserem geliebten Sport ganz den Rücken kehrt (Grüße an Tim Klappfuchs Lindner), ist es doch erfreulich, wenn viele begeisterte Spieler „4“ schreien.

 


Infobox Vierertisch:
Was ist Vierertisch überhaupt?
Anfang der 90er Jahre wurde diese Spielform aus der Sportart Tischtennis entwickelt.
Der Clou:
4x größere Spielfläche,
weitere Laufwege,
ein unglaubliches Potential Rotation und Tempo gekonnt zu kombinieren.
2004 fand, in Hachenburg, das erste 4erTisch- Turnier statt, wobei damals schon der Deutsche-Meister des vergangenen Jahres (Steffen Mengel) als Teilnehmer dabei war.
Mittlerweile wurde und wird die „Trendsportart“ professionalisiert, sodass 4er-Tisch in zahlreichen Ländern Fans findet.
Spielformen sind deckungsgleich mit Tischtennis (Einzel; Doppel). Allerdings hat der Aufschläger, vergleichbar mit Tennis, einen ersten und einen zweiten Aufschlag. Im Aufschlagspiel wird zunächst von rechts, dann von links aufgeschlagen.
Eine weitere Besonderheit ist, dass der Ball beim 4er-Tisch zweimal aufspringen darf.
Dieses Jahr wird zum ersten Mal die neue 4er-Tisch Zählweise eingeführt:
Info’s findet ihr unter: www.4er-tisch.de


Der Autor:
Andreas Greb
B-Lizenz-Trainer und
Sportlehrer
7-facher Vierertischweltmeister 🙂
2-fache Teilnahme von Jugendmannschaften an deutschen Mannschaftsmeisterschaften.
hat mehrere Verbandsmeister herausgebracht.