Flip- gegen (fast) jeden Aufschlag

Bericht von Alexander Groh

Wer individuell flippen kann, durchbricht Routinen beim gegnerischen Aufschlag! Das Fliptechnik-Update!

Wer in der Lage ist, nahezu jeden kurzen Aufschlag des Gegners zu flippen, egal ob der Aufschlag mit Unter-, Seit- oder Oberschnitt gespielt wird, kann sich zwei Vorteile verschaffen:
Zum einen überrascht man den Gegner dadurch, dass nicht die gewohnten Routinen nach dem Aufschlag greifen können.

Zum anderen wird der Gegner, wenn er nicht mit dem ungewohnten Flip-Rückschlag zurechtkommt, vermehrt auf lange Aufschläge zurückgreifen müssen, die direkt angezogen werden können.

Die Absicht des Aufschlägers durchkreuzen
Als Aufschläger wählt man häufig den Aufschlag so aus, dass man den Rückschlag möglichst vorausahnen kann und durch den erwarteten Rückschlag in sein eigenes Spiel kommt. Wenn man es als Rückschläger jedoch schafft, diese gewohnten Routinen zu durchbrechen und einen unerwarteten Rückschlag spielen kann, wird der Aufschläger überrascht und kann seine standardisierten Spielzüge nicht abrufen.
Dazu sollte zunächst klargestellt werden, dass der hier im Anschluss vorgestellte Vorhand-Flip nicht der (früher gelehrte) gewöhnliche Spin-Flip ist, der mit viel Unterarm- und Handgelenkseinsatz in der schiefen Ebene schräg nach vorne/oben gespielt wird. Auf einen starken Unterschnittaufschlag ist dieser wegen des kurzen Beschleunigungsweges sehr schwierig, bzw. nur mit so wenig Dynamik spielbar, dass der Einsatz eher ein Nachteil ist. Es geht vielmehr um einen Flip, der nahezu ohne Rotation auf den Aufschläger zurückkommt und mit dem quasi jeder kurze Aufschlag geflippt werden kann.
Der Schlägerwinkel macht den Unterschied
Der Winkel des Schlägerblattes muss in Abhängigkeit der ankommenden Rotatation eingestellt werden – allerdings ist das Schlägerblatt deutlich geöffneter, als bei der  herkömmlichen Flipbewegung.
Oft wird der Ball mit senkrecht stehendem Schläger getroffen und die vom Gegner gespielte Rotation dazu ausgenutzt, dass der Ball sich im griffigen Belag einhakt und anschließend durch den Katapult-Effekt des Belags wieder hinausbeschleunigt wird. Dazu genügt eine Handgelenksbewegung nach oben, sodass die Beschleunigung des Balles in erster Linie durch die übernommene Rotations- und Bewegungsenergie des Aufschlags entsteht und der Ball deshalb mit wenig(er) Rotation auf den Gegner zurückfliegt.
Bei dieser Fliptechnik wird der Ball nur kurz berührt und nicht geführt, wie dies beim Mini-Topspinflip vorgegeben ist.
Ungewohnt: wenig Rotation!
Diese fehlende Rotation macht den Flip für den Aufschläger zusätzlich zum Überraschungseffekt schwieriger zu beantworten, was entweder zu direkten Punktgewinnen führen kann oder aber zumindest den nächsten eigenen Angriffsschlag durch einen Notball des Gegners vorbereitet.
Trainingsmodell zum Technikerwerb
Die Methode zum grundsätzlichen Erlernen dieser Vorhand-Flip – Bewegung wird nun (aus Sicht eines Rechtshänders) vorgestellt:
Der Beginn des Erlernens der Technik sollte am Balleimer erfolgen. Dazu nimmt man ein Holz, das auf einer Seite einen normalen Belag hat und auf der anderen Seite unbeklebt ist.
Der Spieler steht in Ballerwartungshaltung / Grundstellung hinter dem Tisch. Der Zuspieler spielt einen kurzen Ball mit Unterschnitt in Tischmitte / Vorhandbereich ein, der Spieler geht mit dem rechten Fuß nach vorne unter den Tisch, setzt das Gewicht auf den Fußballen und versucht mit der Holzseite den Ball zu flippen. Dabei muss der Spieler den Schläger weit öffnen und kann den Ball nicht wie beim Spin-Flip mit geschlossenem Schlägerblatt spielen. Wichtig ist der frühe Balltreffpunkt, der spätestens am höchsten Punkt erfolgen muss. Mit geöffnetem Schlägerblatt erfolgt hauptsächlich ein Handgelenkseinsatz nach oben.
Dieser wird durch den Schlag mit der Holzseite erforderlich, da der Ball sonst direkt ins Netz fallen würde. Bei diesem Schlag gilt besonders das Prinzip ‚trial and error‘, sodass der Spieler die Bewegung selbstständig variieren muss bis der Flip mit der Holzseite gelingt. Die Benutzung der Holzseite dient hierbei dazu, dem Spieler vor Augen zu führen, wie geöffnet der Schläger bei diesem Flip den Ball treffen muss. Außerdem ist auf die Rückwärtsbewegung nach dem Flip und das Zurückkehren in eine neutrale, tiefe Position zu achten.
Flip in der Verbindung trainieren
Wenn der Flip mit der Holzseite grundsätzlich funktioniert, wird nach dem kurzen Unterschnittball ein langer Konter/Spinball in die Rückhandseite eingespielt, um die Rückwärtsbewegung zusätzlich zu trainieren. Diesen Ball kann der Spieler mit der Belagseite des Schlägers als Topspin beantworten.
Der nächste Schritt beim Erlernen der Technik dieses Vorhand-Flips ist es, dass der Spieler anschließend versucht, die gleiche Bewegung (wie mit der Holzseite) mit seinem eigenen Schläger zu spielen…

…und anschließend einen Rückhandball nachzuspielen…

Wenn der Spieler die Flip-Bewegung mit zu sehr geschlossenem Schlägerblatt spielt, sollten wieder einige wenige Bälle mit einer Holzseite geflippt werden. (Anmerkung: Es hat sich gezeigt, dass der parallele Flip mit dieser Technik von den meisten Spielern als leichter zu erlernen empfunden wird.)
Übungen für´s Training
Im Anschluss an die Balleimer-Einheit werden Partner-Übungen am Tisch gespielt. Diese Übungen sind aus verschiedenen Bereichen. In der ersten Übung wird der Flip als Rückschlag innerhalb einer regelmäßigen Aufschlag- / Rückschlagsituation gespielt. Bei Übung Nr. 2 wird der Flip in Verbindung mit dem eigenen Aufschlag trainiert. Hier ist die Beinarbeit bereits ein wenig komplexer. In der dritten Übung wird die Aufschlag- / Rückschlagsituation unregelmäßig gespielt.
Übung 1:
Übung 2:
Übung 3:
In weiterführenden Übungen sollte dann durch sehr unregelmäßige Aufschlag-/Rückschlagsituationen (z.B. Aufschläger schlägt kurz in Vorhand oder lang in Rückhand auf…) der Einsatz des Flips im Wettkampf vorbereitet werden.
Wichtig ist es, dem Spieler deutlich zu machen, dass dieser Vorhand-Flip nicht zwangsläufig über das Tempo punkten will, sondern zum großen Teil mit der Rotation des Aufschlags arbeitet, um den Ball über das Netz springen zu lassen.
Es geht in erster Linie darum, die gewohnten Rückschlagroutinen zu durchbrechen und den Gegner dadurch zum einen vor Probleme zu stellen und zum anderen vermehrt lange Aufschläge zu provozieren, um diese mit Topspins angreifen zu können.
Fazit
Dieser Flip kann nahezu auf alle unterschiedlichen Schnittvariationen eines kurzen Aufschlags gespielt werden – dazu muss lediglich der Schlägerwinkel ein wenig angepasst werden, wobei der Handgelenkseinsatz nahezu gleich bleibt.
Ein kurzer Ausflug in die Biomechanik:
Was passiert, wenn ein rotierender Ball auf die griffige Oberlage eines Belages trifft und der Schläger in diesem Moment nicht / kaum bewegt wird? Der Ball „hakt“ ein, die Rotationsrichtung wird umgekehrt und der Ball wird aus dem Belag herauskatapultiert. Je mehr Rotation „ankommt“, umso mehr Energie wird aufgebaut und in Geschwindigkeit gewandelt.
Wir alle kennen diesen Vorgang. Spielt der Gegner einen stark unterschnittenen Ball (z.B. als Abwehrball) und wir halten nur den Schläger  hin, um den Ball zu schupfen, springt dieser schon „von alleine“ recht aggressiv aus dem Belag.
Diese Energie, die in einem drehendem Ball steckt, kann ausgenutzt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Schlägerblattwinkel perfekt ausgerichtet ist.
Der Autor:
Alexander Groh
B-Lizenz-Trainer des hessischen Tischtennisverband
Vereinstrainer TTF Oberzeuzheim
Betreuer auf hessischen Meisterschaften
Hessenliga- / Oberligaspieler